- „Die Dolmetscher im Lauf der Jahrhunderte“ (Französisch)
von Henri van Hoof, FIT-Komitee für die Geschichte der Übersetzung, FIT-IBC-Preisträger 1996
- Die Techniken des Dolmetschens heute
- Definition
Der Dolmetscher ist der sprachliche Vermittler zwischen mehreren Individuen oder Gruppen unterschiedlicher linguistischer Zugehörigkeit. Er gibt in der Zielsprache die in der Ausgangssprache geäußerten Aussagen wieder, in Inhalt, sprachlicher Ebene, Absichten und Tonlage. Er muss fähig sein Nuancen, Unausgesprochenes, Anspielungen, Humor und Gefühle präzise wiederzugeben. Die Qualität seiner Arbeit beruht auf seiner fachlichen Kompetenz nicht nur im sprachlichen sondern auch im interkulturellen Bereich sowie auf seinen spezifischen wirtschaftlichen, technischen oder wissenschaftlichen Kenntnissen, je nach dem Inhalt der Begegnung.
- Die Vorbereitung eines Einsatzes
Eine wichtige Voraussetzung im Vorfeld ist, dass die Dolmetscher zur Vorbereitung auf ihren Einsatz über das erforderliche Material verfügen; dazu gehören vor allem das vollständige Programm oder die Tagesordnung, die Biographien der Redner oder ein Organigramm des Unternehmens, aus dem die Position der Redner hervorgeht, die Dokumente, auf die sie sich beziehen werden oder die Grundzüge ihrer Beiträge und, wenn möglich, auch Unterlagen von früheren oder vergleichbaren Begegnungen. Ein Glossar der verwendeten Zeichen oder Abkürzungen kann sich ebenfalls als sehr hilfreich erweisen. Die Qualität der Arbeit eines Dolmetschers beruht also in erheblichem Maße auf seiner Vorbereitung und dem ihm zur Verfügung gestellten Quellenmaterial.
- Berufsethik und Vertraulichkeit
Die Dolmetscher verpflichten sich einen professionellen Ethik-Kodex zu respektieren, insbesondere was die Vertraulichkeit betrifft. Sie unterliegen einem absoluten und umfassenden Berufsgeheimnis und verpflichten sich keine der Informationen zu verbreiten, zu denen sie in ihrer beruflichen Tätigkeit im Rahmen nicht-öffentlicher Zusammenkünfte vertraulichen Charakters Zugang bekommen.
- Konferenz- und Verhandlungsdolmetscher
Man unterscheidet zwischen einem Konferenzdolmetscher, der bei internationalen Kongressen, meist in einer Kabine, arbeitet und dem Verhandlungsdolmetscher, der bei eher informellen Zusammenkünften in kleinerem Rahmen tätig ist.
- Vorgehensweise
Man unterscheidet ebenfalls zwischen zwei Formen des Dolmetschens:
Das simultane Dolmetschen:
Der Dolmetscher spricht zur gleichen Zeit wie der Redner. Dies erfolgt entweder in einer Kabine mit Blick auf den Konferenzsaal und die Projektionsfläche, mit Verbindung zum Sprecher über Kopfhörer und Mikrophon, oder in Gegenwart des Redners durch Flüstern oder mithilfe mobiler technischer Vorrichtungen, z. B. einer Personenführungsanlage, auch Flüsterkoffer genannt.Das konsekutive Dolmetschen:
Der Dolmetscher gibt in der Zielsprache – in Abschnitten oder am Ende eines Beitrages – eine vollständige Fassung oder den Sinn der Rede in kondensierter Form wieder. Je nachdem ob er abschnittsweise oder zusammengefasst am Ende eines Beitrages übersetzt, macht der Dolmetscher sich beim Hören Notizen.
Das konsekutive Dolmetschen zwingt den Sprecher, regelmäßig innezuhalten um dem Dolmetscher Zeit zur Wiedergabe zu lassen; dies verdoppelt die Redezeit jeden Sprechers und behindert bei spontanem Austausch die Reaktionsmöglichkeiten der Teilnehmer, z. B. bei Weiterbildungsveranstaltungen. Das simultane Übersetzen macht Diskussionen sehr viel flüssiger. Allerdings gibt bei Sehr komplizierten Verhandlungen oder Themen der konsekutive Modus den beteiligten Parteien Zeit zum Nachdenken, ein nicht zu unterschätzender Vorteil.- Material – Methode
Konferenzsäle in den großen Kongresszentren sind in der Regel mit Dolmetscherkabinen ausgestattet. Ist dies nicht der Fall, können mobile Kabinen aufgestellt werden. Das sind Dolmetscherkabinen, die, vorausgesetzt der Saal ist dafür geeignet, auf- und wieder abgebaut werden können.
Beim Flüsterdolmetschen sitzt der Dolmetscher neben einem oder zwei Teilnehmern in einer Versammlung und flüstert diesen die Übersetzung der Redebeiträge simultan ins Ohr. Diese Form des Dolmetschens wird in der Regel verwendet, wenn die Zahl der Teilnehmer in der Zielsprache klein ist. Sie ist nicht mehr sinnvoll, wenn deren Zahl größer als zwei ist oder wenn im Raum mehrere Dolmetscher zur gleichen Zeit arbeiten müssen, der eine ins Arabische und ein anderer ins Russische z. B. Das führt zu einer Unruhe im Saal, die als unangenehm oder sogar störend empfunden werden kann. In diesem Fall ist eher die Verwendung von Flüsterkoffern (oder Personenführungsanlage) mit Mikrofonen und Kopfhörern angebracht.
Die Personenführungsanlage ist eine mobile Vorrichtung, mit deren Hilfe man simultan dolmetschen kann ohne komplette Kabinen einrichten zu müssen. Der Dolmetscher ist nicht vom Saal getrennt und verfügt lediglich über ein Mikrophon, manchmal auch über einen Kopfhörer. Die Zuhörer haben einen kleinen Empfänger mit Kopfhörern oder auch nur einen einfachen Ohrhörer. Die Option Ohrhörer erlaubt es den Kontakt zur Ausgangssprache über das freie Ohr zu halten und zugleich die Übersetzung dominierend über das andere Ohr zu verfolgen. Bei dieser Methode hält sich der Dolmetscher entweder in der Nähe oder auch weiter entfernt vom Redner auf und spricht in das Mikrofon, ohne dass er dabei die Stimme erheben muss. Der Nachteil gegenüber der Kabine ist allerdings, dass eine vollständige akustische Isolierung nicht möglich ist. Von Vorteil ist dagegen die äußerst große Mobilität: der Dolmetscher kann sich wie seine Zuhörer frei im Raum bewegen, z. B. bei Werksbesichtigungen.
- Besondere Bedingungen
Um die Qualität der Arbeit zu garantieren, die eine hohe Konzentration erfordert, werden die Konferenzdolmetscher in der Regel zu zweit (sie wechseln sich alle 20 – 30 Minuten ab) und nicht mehr als 2 x 3 Stunden am Tag eingesetzt. Für längere Sitzungen werden die Teams entsprechend verstärkt.
Die Arbeit der Dolmetscher ist normalerweise nur für das unmittelbare und direkte Hören bestimmt. Tonaufnahmen, auch durch die Hörer, sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung gestattet. Eine Tonaufnahme des Dolmetscherkanals kann in Ausnahmefällen unter der Bedingung zugestanden werden, dass daraus kein geschäftlicher Profit gezogen wird, dass man sie nicht über das Internet verbreitet und sie auch nicht verwendet, um die Qualität der Übersetzung in Zweifel zu ziehen.
Werden im Verlauf einer Zusammenkunft Filme vorgeführt, wird die Tonspur nur dann gedolmetscht, wenn den Dolmetschern zuvor das Filmskript zur Verfügung gestellt wurde und ihnen der Ton direkt auf die Kopfhörer eingespielt wird.
Es ist wichtig den Zuhörern die unterschiedlichen Kanäle anzugeben, auf denen sie die gewünschte Sprache abrufen können.
- Koordinierung
Ab einer gewissen Zahl von Dolmetschern, die bei der gleichen Veranstaltung tätig sind, ist die Anwesenheit eines koordinierenden Dolmetschers unabdingbar, um einen reibungslosen Ablauf des Service gewährleisten zu können. Er ist das Bindeglied zwischen den Veranstaltern, den Dolmetscherteams und der Ton- und Bildregie. Er kann gegebenenfalls auch direkt mit den Moderatoren oder Rednern in Kontakt treten. Er organisiert die Teams und löst unvorhergesehene Probleme, seien diese technischer Art oder bei der Einsatzplanung. Es ist nicht selten, dass in letzter Sekunde noch besondere Bedürfnisse auftreten wie z. B. die Abstellung eines Dolmetschers für das Pressegespräch eines der Beitragsredner oder andere Situationen, die ein schnelles, effizientes und zielgerichtetes Eingreifen erfordern.
- Technische Hilfestellung
Wenn mobile Dolmetscherkabinen bereitgestellt werden müssen, werden diese von qualifizierten Technikern auf- und abgebaut. Neben dem koordinierenden Dolmetscher wird die Anwesenheit eines Technikers während der gesamten Veranstaltung dringend empfohlen. Sie ist unverzichtbar bei mehrtägigen Konferenzen, sie ist angeraten bei kürzeren Sitzungen (ein halber oder ein ganzer Tag), insbesondere dann, wenn mehrere Kabinen benutzt werden.
- Dolmetscher und Übersetzer
Einige Dolmetscher sind gleichzeitig auch Übersetzer. Es handelt sich dabei jedoch um zwei völlig eigenständige Tätigkeiten, für die grundlegend andere Fähigkeiten erforderlich sind. So mancher Dolmetscher ist ebensowenig ein Übersetzer wie die Mehrzahl der Übersetzer zugleich auch ein Dolmetscher ist. Der Übersetzer ist ein Spezialist der geschriebenen Sprache. Er hat also die Möglichkeit (und die Pflicht), sich zu korrigieren. Der Dolmetscher, Spezialist der gesprochenen Kommunikation, arbeitet in Echtzeit und ohne Netz und doppelten Boden. Seine Arbeit erfordert eine besonders schnelle Auffassungsgabe, einen flüssigen Ausdruck und eine hervorragende Diktion. Auch soziale Kompetenz ist in seiner Funktion unerlässlich. Technische und soziale Kompetenz (Pünktlichkeit, gutes Auftreten, Höflichkeit, Diskretion, Sorgfalt, Kommunikation).
Anders als Dolmetscher, die in der Kabine meist in beide Sprachrichtungen arbeiten (man nennt das auch „Retour“), übersetzen Übersetzer vor allem in ihre Muttersprache. Dies genügt allerdings nicht, um die Qualität der Arbeit in der Zielsprache zu gewährleisten. Zunächst ist ein perfektes Verständnis der Ausgangssprache entscheidend. Abgesehen davon verfügt nicht jeder über die von einem guten Übersetzer erwarteten redaktionellen Fähigkeiten, nur weil er Muttersprachler ist. In der eigenen Sprache Texte zu formulieren ist nicht jedermanns Sache. Um eine flüssige Lektüre zu gewährleisten, müssen Übersetzer in der Zielsprache die Qualitäten des Redakteurs aufweisen, neben einwandfreier Rechtschreibung und Syntax gehört dazu höchste Präzision in der Terminologie und eine perfekte Beherrschung des Stils, einschließlich der Interpunktion, sowie die konsequente Einhaltung typografischer Regeln. Man spricht von Übersetzung, Adaptierung und Lokalisierung; Lokalisierung bezeichnet den gesamten Prozess der Anpassung eines Inhalts an eine bestimmte geografische Region – hier kommt zur eigentlichen Übersetzung noch eine Anpassung an Normen, Kulturen und spezifische Erwartungshaltungen der Leser-Zielgruppe hinzu. Man unterscheidet technische, wissenschaftliche, literarische und Rechtsübersetzer. Jede dieser vier Hauptfamilien der Übersetzung lässt sich weiter unterteilen in zahlreiche Subkategorien je nach Dokumententyp, Inhalt oder spezifischen Wissensbereichen.
Ein beeidigter Dolmetscher am Gericht ist ein Verhandlungsdolmetscher mit juristischen Fachkenntnissen. Er ist von den juristischen Instanzen jedes Landes zugelassen. Man macht dieselbe Unterscheidung zwischen einem beeidigten Dolmetscher und einem beeidigten Übersetzer, beide Funktionen sind nicht automatisch die gleichen.
Man spricht von einer Übersetzung aus dem Stegreif, wenn es sich um das Verlesen in der Zielsprache eines Dokumentes handelt, das in einer anderen Sprache verfasst wurde. Dazu begibt sich der Übersetzer-Dolmetscher an den gewünschten Ort, nachdem er zur Vorbereitung vor seines Einsatz von dem Dokument Kenntnis genommen hat.